Anpassung scheint ein zweigleisiges Schwert in unserer Gesellschaft. Entweder man trägt Anzug auf einem Empfang oder man wird schräg angeschaut. Entweder man besitzt einen Facebook-Account oder man nimmt nicht mehr vollends am sozialen Leben teil. Doch je mehr Leute sich der Menge anpassen, desto stärker wird der Wunsch auszubrechen. Gegen den Strom zu schwimmen. Sagen können was man denkt. Sich gemäß seinen Anlagen zu verbrauchen. Die Gesellschaft mag Menschen, die den Mut haben, gegen den Strom zu schwimmen und sich nicht verbiegen lassen. Albert Einstein hat dies so formuliert: “Weakness of attitude becomes weakness of character.”
Es geht also um Authentizität. Auch Marken wollen sich dem Zeitgeist anpassen und authentischer sein. Warum?
- Weil sie es meines Erachtens müssen, um aus heutiger Sicht zukünftigen Markt- und Finanzerfolg sicherstellen zu können und
- Weil sie somit näher an den Konsumenten heran kommen und somit ihre Botschaft in einer „intimeren Atmosphäre“ streuen können
Ich habe gelernt, dass im Marketing das MAYA-Prinzip groß geschrieben wird: “Most Advanced, Yet Accepted”. Eine Marke sollte demnach Mehrwerte bieten und auch irgendwie cool auftreten, aber eben nicht übertreiben um sich nicht zu weit vom Konsumenten zu entfernen.
Doch schaut man sich in der heutigen überladenen Welt der Markenkommunikation um, entdeckt man vielerorts gekünstelte, hochstilisierte, über-emotionalisierte, ja teilweise perfekte Werbewelten die einem „etwas vorgaukeln“ was offenkundig (nicht für jeden gleich erkennbar) nicht der Realität entspricht. Es wird gezielt versucht, Emotionen zu wecken um selbigen an die Marke zu binden. Teilweise weit entfernt von der Konsumentenrealität. Denn dank der mittlerweile weit verbreiteten Nutzung von Photoshop & Co. ist es heutzutage ein Kinderspiel, Gegenstände, Situationen sowie natürlich auch Menschen nach Wunsch in der post-production zu verändern. Dass dies auch getan wird, zeigt der Großteil der Werbewelt.
So weit so gut bzw. legitim. Doch was wenn der schöne Schein auffällt? Was, wenn die Inszenierung wie ein Kartenhaus zusammen bricht? Im heutigen Zeitalter der smarten, gut informierten und dadurch mächtigeren hybriden Konsumenten birgt der Austausch über Marken in sozialen Netzwerken on- und offline nicht nur Engagement-Chancen sondern vor allem auch Shitstorm-Gefahren.
Erst Recht in einer deutschen Gesellschaft, die nicht selten lieber reaktiv meckert als proaktiv und konstruktiv verbessert. Darüber hinaus frage ich mich, ob diese gekünstelten Bilder beim Konsumenten wirklich die intendierten Emotionen wecken. Ich glaube, dass beim Anblick perfekter Models aus einem Guss ein gewisses Gefühl von Kühle haften bleibt, da das Gezeigte einfach nicht die Realität widerspiegelt. Es kann maximal ein Schönheitsideal angestrebt werden – doch kann dies wohl kaum erreicht werden. In der Summe machen uns perfekte Werbewelten doch nur unglücklich.
Wäre es unter diesen Voraussetzungen nicht sicherer für Marken, authentischer zu werben? Also so richtig mit Fehlern behaftet und so? Eben wie wir Menschen es alle sind? Live und in Farbe im „Real Life Style“? Könnten wir uns dann nicht alle viel besser mit bestimmten Marken identifizieren? Könnten Marken dann nicht noch viel stärker Emotionen und Engagement auslösen?
Ich bin davon überzeugt, dass dies der Fall wäre. Ich möchte Ihnen anhand zweier Kampagnen-Beispiele zeigen, was ich mit authentischerer Werbung die involviert meine. Bitte schauen Sie sich das an:
Ford steht hier als Produkt nicht im Vordergrund, sondern die Geschichte – mit realem look & feel. Auch Werbungen für Filme können sich durch humorige Werbungen in realen Lebenssituationen auszeichnen. Diesen Spot für den Film “Devils Due” sollten Sie sich definitiv anschauen:
Marken wie bspw. Dove haben bereits mit ihren Effizienz-Auszeichnungen zur „Initiative für wahre Schönheit“ bewiesen, dass eben solche authentischen, imperfekten Ansätze Wirkung zeigen.
Und darauf kommt es letztendlich an: Werbung ist kein Selbstzweck, sondern sie ist da um Verhalten kurzfristig sowie Einstellungen langfristig zu beeinflussen. Die erste Erfolgskampagne von Dove stellte das werblich gelebte Gegenteil von Authentizität und Real Life bereits wirkungsvoll an den Pranger:
Insofern hoffe ich auf weitere Werbungen, welche sich echter anfühlen und näher an der Konsumentenrealität orientieren als die große Masse der Werbespots. Somit lassen sich nicht nur der Werbeverdrossenheit der Verbraucher sondern auch der Masse an unwirksamer Werbungen da draußen gegenwirken. Lassen Sie mich gern wissen, welche weiteren Beispiele für Real Life Werbungen Sie kennen.